Im Rahmen von der
IfA Jahresausstellung 2024
mit
Theresa Keilhacker, Präsidentin Architektenkammer Berlin
MdA Katalin Gennburg, die Linke
MdA Matthias Kollatz MdA, SPD
MdA Julian Schwarze, Bündnis 90 die Grünen
Moderation
Lena Löhnert (NBL / Initiative an.ders Urania)
Eike Roswag-Klinge (NBL, TU Berlin)
Inputs
NBL Masterthesis Klasse
Die Berliner Landesregierung setzt sich in der aktuellen Wahlperiode das ambitionierte Ziel, jährlich 20.000 neue Wohnungen zur Deckung des Wohnungsbedarfs bereitzustellen und gleichzeitig bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu sein. Doch trotz wiederholter Forderungen der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und der Fachwelt,Klimaschutz und Bauen zugunsten besonders erhaltenswerter Bausubstanz zusammenzubringen und damit wertvolle Ressourcen zu schonen und CO2 zu sparen, werden weiterhin transformierbare öffentliche Gebäudebestände, wie aktuell der Düttmann-Bau an der Urania, abgerissen.
Das Leitbild “Bestandsertüchtigung vor Neubau” hat insbesondere bei Nichtwohngebäuden ein hohes Potenzial zur Transformation. So setzt sich die Bundesregierung in ihrem Maßnahmenpaket von 2023 das konkrete Ziel, 250.000 Wohnungen durch Transformation von Gewerbeimmobilien zu schaffen. Auch der zukunftsgerechte Umbau von Bestandsschulen spielt eine wichtige Rolle für die Identifikation in Quartieren und den Schutz sozialer Milieus vor Verdrängung in unserer Stadt.
Die Umbau-Agenda schlägt neun Punkte zur Veränderung des Umgangs mit dem Berliner Gebäudebestand vor. Sie basiert auf Erkenntnissen aus Lehr- und Forschungsformaten des Natural Building Lab der TU Berlin und bezieht sich auf bestehende Forderungen mehrerer landes- und bundesweiter Initiativen zur Bauwende. Die Umbau-Agenda ist in Kooperation mit Theresa Keilhacker und dem Bündnis Klimastadt Berlin 2030 entstanden.
Am 19.07.24 hat die NBL Thesis Klasse bei der Podiumsdiskussion zur Berliner Um- bau-Agenda mit MdA Katalin Gennburg (die LINKE), MdA Julian Schwarze (GRÜNE) und Theresa Keilhacker (Präsidentin Architektenkammer Berlin) darüber diskutiert, welche Weichen in Berlin und bundesweit noch gestellt werden müssen, damit der öffentliche Ge- bäudebestand zukunftsgerecht transformiert werden kann. Zunächst stellten drei Studie- rendengruppen der Masterthesis Klasse ihre Arbeiten zum Thema Abrissvermeidung und Bestandstranformation vor. In der anschließenden Diskussion ging es sowohl um die Frage nach Gesetzesänderungen im Sinne einer ökologisch-sozialen Bauwende, als auch darum, wie sich die Verfahren bei öffentlichen Bauprojekten im Bestand transformieren müssen, damit dieser vor Abriss geschützt ist, aber auch gemeinwohlorientiert entwickelt werden kann.
“Es gibt kein Recht auf Leerstand! Die Frage danach, ob auch öffentliches Eigentum leer stehen gelassen wird, ist wichtig. Und die bundesweiten Regelungen für den Leerstand von Gewerbegebäuden müssen erneut auf den Prüfstand.
Gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten und in einer Baukrise ist der Moment zu sagen: jetzt ist Feierabend mit der Verwertung der Stadt. Wir wollen eine solidarische Stadt, wir wollen eine feministische Stadt, wir wollen die Stadt neu definieren. Und wir holen uns auch privaten Orte zurück, wir reclaimen sie, weil ihr Leerstand eben nicht akzeptabel ist.”
Katalin Gennburg
“Wir waren in Punkto Bestandserhalt in Berlin schon mal weiter. Früher hatten die Bezirke mehr Ressourcen, um Gebäudebestände zu kontrollieren, also im Sinne des Bestandserhalts zu handeln. Im Zuge der Neoliberalisierung wurde viel abgeschafft. Und das wird ja dann später zur Mietenfrage. Es wäre also sinnvoll wieder zu schauen, wo waren wir eigentlich schon mal, welche guten Konzepte haben wir eigentlich schon auf dem Tisch und müssen sie “nur noch” umsetzen.”
Julian Schwarze
“Berlin ist für seine Soft Skills, also kooperative Stadtentwicklung, berühmt gewor- den. Deswegen darf es nicht bei nur wenigen Modellprojekten, wie dem Haus der Statistik bleiben, sondern es muss weitere Modellprojekte geben, die zeigen, dass man auf Bestandsentwicklung nicht nur aus bilanzpolitischer Sicht schauen darf. Modellprojekte sind Botschafterinnen sozialer Aneignungsprozesse in der Stadtentwicklung, von denen es noch deutlich mehr in Berlin braucht.”
Theresa Keilhacker
“Wir brauchen verpflichtende Machbarkeitsstudien, die aus dem Bestand heraus denken. Die Fähigkeiten des Bestandes müssen stärker in den Fokus gerückt werden. Dazu gehört auch zu überlegen, welche Regeln flexibler gedacht werden müssten, zum Beispiel beim Schallschutz. Dann kann auch ein Gebäude mit einem Schallschutzstandard von vor 40 Jahren ohne Ab- riss und trotz Nutzungsänderung erhalten bleiben. Wir müssen den Bestand generell dynamischer denken und kreativ mit ihm umgehen. Der entscheidende Hebel ist, die Baustandards pro Erhalt anzupassen und Machbarkeitsstudien verbindlich einzu- führen, um Gebäude ganzheitlich zu entwickeln.”
Eike Roswag-Klinge