Im Sommer 2022 entwickeln Max Pfeffer und Leon Klaßen als Master-Thesis den Feld-Raum, eine urbane Vor-Ort-Forschungsstation. Die Themen kommen aus dem Feld. Der Raum als bauliche Struktur ermöglicht ein interdisziplinäres Forschen und Machen. Abseits vom Schreibtisch treffen Forscher:innen auf lokale Expert:innen aus der Zivil- und Stadtgesellschaft.

Feld - Raum
Eine urbane Forschungsstation

Master Thesis
Max Pfeffer × Leon Klaßen

Natural Building Lab, Prof. Eike Roswag-Klinge
fg deco, Prof. Jan Kampshoff

Technische Universität Berlin
Sommer 2022

Feld-Raum-Podcast (Apple Podcasts)
Feld-Raum-Podcast (RSS-Feed)
Dokumentation (PDF, 80 MB)

Die besten Lernerfahrungen hatten wir
selbst nicht unbedingt im Hörsaal.*

* Basierend darauf platziert sich Feld-Raum im Feld und bietet dort einen Raum für das Forschen, Arbeiten und Diskutieren vor Ort, spezifisch entworfen für die Untersuchung von kontextbasierten Themen und Projekten.

»Feld-« ist als Aufforderung zu verstehen. Wir fordern, dass im Feld anders geforscht wird: zusammen, transdisziplinär, transparent, kommunikativ, politisch, angewandt und vor Ort! Das gewohnte, geschützte und kontrollierbare Umfeld verlassen! Forschung mit den Leuten für die Leute! Ob nun klassische natur- und geisteswissenschaftliche Forschung, Stadt- und Raumentwicklung, künstlerische Praxis oder auch universitäre Lehre. Das Feld ist dabei sowohl ein belebter Ausschnitt der Stadt mit ihren Bewohner:innen, Themen und Fragen, aber auch der isolierte, ländliche Raum mit seinen mikro- und makrowissenschaftlichen Forschungsthemen und Zukunftsängsten. Feld-Raum »landet« als Forschungsstation temporär, erforscht den Ort und seine direkte Umgebung und verschwindet nach dem Ende eines Projekts restlos, um wieder neu konfiguriert an einem neuen Ort zu landen.

Wir denken, dass Forschung über einen Ort nicht vom Schreibtisch aus funktioniert. Transdisziplinäre Zusammenarbeit braucht einen eigenen Ort, der außerhalb der Domaine einer einzelnen Institution liegt, und der auch nicht-akademische Akteur:innen mit einschließt. Anwohner:innen und lokale Expert:innen müssen als eine wichtige und ernst zu nehmende Ressource für lokales Wissen angesehen werden. Auch sollte universitäre Lehre immer auch die Forschung an den eigenen Methoden beinhalten.

Neben den projektbezogenen Orten, Themen und Inhalten interessiert sich die Feld-Raum-Methodik auch für übergeordnete Fragen zu Wissenschaft und gemeinschaftlicher Praxis. Wie funktioniert eine transparentere zeitgemäße Forschung und Wissensproduktion? Wer ist am Prozess des Wissen-Schaffens beteiligt? Wie zugänglich ist das Wissen? Wie können unterschiedliche Disziplinen an einem Thema produktiv zusammenarbeiten? Welche Orte braucht es für diese Formen von Zusammenarbeit?

Feld-Raum möchte nicht nur »Space Provider« für ortsbezogene gemeinschaftliche Forschung sein, sondern begreift sich selbst als Reallabor, um Formen der kollaborativen Vor-Ort-Praxis weiter zu entwickeln und diese als wissenschaftlich anerkannte Methoden zu etablieren. Dabei werden bewusst gewohnte Abläufe, Konstellationen und Umfelder der Wissenschaft kritisch betrachtet, hinterfragt und aufgebrochen und unkonventionelle Ansätze erprobt.

»-Raum« ist das temporäre physische Zuhause der Methode und dabei nachhaltig, reversibel und adaptiv zugleich.

Natürlich gibt es schon bauliche Systeme wie zum Beispiel Bau- und Bürocontainer-Stapel, Baugerüst-Zweckentfremdungen und überspannende Zelt-Hallen, die das Arbeiten vor Ort ermöglichen. Als »Space Provider« möchten wir einen Raum anbieten, der eine höhere Aufenthaltsqualität bietet und dem ein Raumprogramm für das Zusammenarbeiten und Forschen in der Gruppe zugrunde gelegt wird.

Jeder Ort, jede Forscher:innengruppe und jedes Projekt ist dabei anders. Feld-Raum kann als eigens konzipiertes, translozierbares und reversibles Bausystem darauf reagieren. Von einem kleinen Forschungs-Satelliten bis zum groß angelegten Forschungs- und Entwicklungsprojekt ermöglicht das Bausystem an jedem neuen Standort eine kontextspezifische Rekonfiguration. Je nach Aufbau kommen dabei mehr oder weniger Bauteile zum Einsatz.

Das Bausystem ermöglicht den Aufbau mit bis zu zwei Geschossen und besteht aus einem Katalog von Boden-, Zwischendecken- und Dach-Elementen und tragenden Außenwandelementen und Innenwänden. Je nach Bedarf können Grundrisse und Räume ausgebildet werden, vollständig gedämmt und ganzjährig nutzbar. Nutzräume und technische Infrastruktur werden als kompakte und abgeschlossene Module eingesetzt. 

Da der Feld-Raum nur für eine begrenzte Zeit an einem Ort verweilt, soll er auf Ort-Beton-Gründungen verzichten und stattdessen aufgeständert als »fliegender Bau« mit verstellbaren Fußpunkten konzipiert werden. So kann gleichzeitig nachhaltig und minimal-invasiv auf unterschiedliche Untergründe und Topographien reagiert werden, von der urbanen Brache bis hin zum Acker in der Uckermark.

Wie wir arbeiten

Diese Master-Thesis ist der Abschluss unseres Architekturstudiums, das die letzten 7+ Jahre zentraler Bestandteil der eigenen Beschäftigung war. Wir möchten Methoden und Formate ausprobieren, uns mit Themen beschäftigen, die noch offen geblieben sind. Ein bisschen auch mit der eigenen Projektvergangenheit im Studium abschließen. Nicht jede:r Architekturstudierende landet am Ende in einer »klassischen« Architekturpraxis. Diese Master-Thesis ist die Untersuchung einer Bandbreite, das Ergebnis einer Kollaboration zwischen zwei Studierenden und zwei Freunden, eingebettet und begleitet in einem Netzwerk von Freund:innen und Kollaborateur:innen, in unserer Universität und in der Praxis.

Eine Theorie zwischen Forschung und Praxis

Feld-Raum ist eine Forschungsstation. Doch was wird hier wie (be)forscht und was verstehen wir dabei unter Forschung? Die Neumayer-Station III in der Antarktis ist ein Beispiel einer Forschungsstation im naturwissenschaftlichen Sinne, die ganz konkret zum Erforschen der Antarktis konzipiert, dort platziert und betrieben wird. Sie beforscht also den Kontext, in dem sie platziert wird. Auch hat mensch ein recht konkretes Bild davon, was Forschung in diesem Kontext bedeuten könnte. Wetterdaten erfassen, Proben nehmen, längerfristige klimatische Entwicklungen aufzeichnen und deuten. Forscher:innen in Polaranzügen auf Schneemobilen oder in Laboren. Ein Bild vom (praktischen) Forschen, dass mensch häufig seit der Kindheit aus Büchern, Dokumentationen oder Zeitungen kennt. Der Feld-Raum ist in diesem Sinne auch eine Forschungsstation, die ihr direktes Umfeld erforscht. Das Umfeld ist allerdings weniger gut greifbar als beispielsweise die Antarktis. Feld-Raum ist vor allem eine Forschungsstation für (Stadt-)Raum. Um ein klareres Bild davon zu bekommen, wie dieser be- und erforscht werden kann und was in diesem Kontext Forschung bedeutet, lohnt ein Blick auf den Forschungsbegriff und verschiedene Methoden und Ansätze, die sich über die Zeit entwickelt haben.

Forschungsstationen

Eine Forschungsstation ermöglicht es den Forscher:innen, ein Forschungsthema an einem bestimmten Ort zu untersuchen und sich in diesem Kontext für eine längere Zeit aufzuhalten, autark und autonom. Oft sind diese Orte ausgesetzt und nicht dauerhaft besiedelt — im Urwald, im Gebirge, im Polareis, in der Wüste. Die Forschungsstation schützt und beherbergt ihre Bewohner:innen in diesen extremen Umgebungen. Der urbane Kontext ist nicht extrem, dafür dicht und vielschichtig. Und begleitet von einer Stadtöffentlichkeit, Nachbar:innen und Interessierten, die in der Forschungsstation direkt teilhaben können.

Feld-Raum-Bausystem
für eine urbane Forschungsstation

Mit dem Feld-Raum-Bausystem können vor Ort und auf jedem Untergrund temporäre, ganzjährig nutzbare Räume zum Forschen und Machen aufgebaut werden. Aus 80 spezifisch entwickelten Bauteilen und Ausstattungselementen kann je nach Aufbau ausgewählt werden, von der Fassade über Boden und Dach bis zur Dusche und dem Schreibtisch. Ein Bausystem für einen nachhaltigen und zeitgemäßen Holzbau, der die Anforderungen an die Barrierefreiheit und den Wärmeschutz nach dem GebäudeEnergieGesetz erfüllt. Eine glänzende Forschungsstation für den urbanen Kontext.

Feld-Raum, platziert

Aufgebaut im Stadtraum fügen sich die Bauteile und Einzelelemente des Bausystems zu Räumen für vielfältige Verständnisse von Forschung und Praxis, vom kleinen Forschungs-Satelliten bis zur Forschungsstation mit mehreren funktionalen und räumlichen Zonen. Ausgestattet mit technischer Infrastruktur und Einbauten für einen Forschungs- und Arbeitsort, in der Gruppe mit verschiedenen Disziplinen und fokussiert allein, eine Unterkunft für Dauer-Vor-Ort-Themen, ein Ort für Veranstaltungen, Diskurs und Öffentlichkeit. Entdeckbar, oder direkt sichtbar im Straßenraum, für die Wissenschaft, Praxis, Bildung, Kunst, Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit. Die beiden Aufbauten am Alexanderplatz und in der Bülowstraße sind ein Werkzeug, das Bausystem anzuwenden und zu überprüfen, räumliche Situationen und Bezüge zu testen und ein Einblick zu geben, wie Forschung und Praxis im Feld-Raum aussehen könnte.

Am Alexanderplatz, einem der vielen Berliner Zentren, entstehen in den kommenden Jahren mehrere Hochhaus-Türme. Wie verändern die neuen Gebäude die Berliner Mitte und das Bild der Stadt? Wer wird hier in Zukunft leben und arbeiten? Gibt es in Berlin eigentlich noch Freiflächen, die in den 90ern einen starken Beitrag zur Legendenbildung geleistet haben, und wie werden diese aktuell genutzt? Wie kann ein schon beplantes Bauerwartungsland angeeignet werden, solange die Baumaßnahmen noch nicht gestartet sind? Sollte ein privates Grundstück, auf dem sich die Baumaßnahmen schon seit Jahren verzögern, einer Stadtöffentlichkeit zugänglich gemacht werden? Und wie wird ein autogerechter Verkehrsknoten zum Bestandteil einer zukunftsgerichteten Fahrradmobilität?

Der Feld-Raum-Alexanderplatz ist ein Forschungs- und Arbeitsplatz für zwei bis drei Forscher:innen, kann zeitweise aber auch bis zu 10 Personen aufnehmen. Im Sinne einer autark-naturwissenschaftlichen Station ist der Aufbau zentral auf der Brache und aufgeständert in der entstanden Vegetation positioniert, verborgen hinter einem Bretterzaun, welcher auch in den letzten Jahren die Fläche den Blicken entzogen hat.

Die Radbahn Berlin ist 2015 als Vision für einen etwa neun Kilometer langen, größtenteils überdachten Radweg entlang der Hochbahn-Linie U2 gestartet. Seit 2019 wird das Projekt als »Reallabor Radbahn« weiterentwickelt, gefödert durch das Land Berlin und den Bund. Wie könnte eine Mobilitätswende für Berlin im gemeinsamen Diskurs gelingen? Wie kann ein Reallabor in der Stadtöffentlichkeit betrieben werden und wie wird ein Langzeit-Projekt mit einer schrittweisen Entwicklung einer breiten Stadtöffentlichkeit bekannt? Wie kann erneuerbare Energie für Beleuchtung und den lokalen Verbrauch direkt im Mobilitätskontext erzeugt werden?

Der Feld-Raum-Bülowstraße wird direkt am geplanten Streckenverlauf der Radbahn auf dem Parkplatz am Dennewitzplatz zum öffentlichen, aber auch geschützten Raum für produktive Projektarbeit. Acht bis zehn Forscher:innen können dauerhaft in der Stationen arbeiten, planen, entwickeln, diskutieren und forschen. Alleine in der Gruppe, oder zeitweise im direkten Austausch mit einer größeren Stadtöffentlichkeit.

Wie würdest du Feld-Raum aufbauen? Welches Forschungsthema würdest du vor Ort untersuchen und welche Disziplinen aus Forschung und Praxis wären mit dabei?

With: Leon Klaßen, Max Pfeffer