Masterthesis SoSe 20
Leonard Kaupp
Betreuung: Natural Building Lab
Zweitprüfer*innen: FG DE/CO
Alle Inhalte
©Leonard Kaupp
Holz soll aufgrund seiner CO2-speichernden Eigenschaft eine wichtige Rolle in Berlins Netto-Null-Emissions-Zukunft spielen. Doch in Berlins steinerner Vergangenheit und Gegenwart gab es keinen Raum für die Entwicklung einer örtlichen Holzbautradition. Es mangelt an handwerklichem Können, an breiter Planungskompetenz und in der näheren Umgebung auch an der notwendigen Infrastruktur für den Umgang mit heimischem Holz. Wenn es die Stadt mit ihrem Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, ernst meint, muss gehandelt werden.
Ich begann meinen Entwurfsprozess mit einer umfangreichen Recherche und Kartierung der Typologien, die Teil der holzbasierten Industrie Brandenburgs sind. Obwohl die Ressource Holz weithin verfügbar ist, wird der größte Teil des Holzes der Region ins Ausland verkauft oder für andere Zwecke als den Bau verwendet – eine Tatsache, die sich ändern muss, wenn Berlins Planer die Lieferketten effizient verkürzen und die zukünftigen Beschaffungskosten reduzieren wollen.
Um die beschriebenen Umstände anzugehen und den urbanen Holzbau weiter zu fördern, schlage ich vor den Molkenmarkt, einen der ältesten Orte und derzeit prominenteste zentrale Leerstelle Berlins als Versuchsbaustelle zu nutzen. Zwischen Rotem Rathaus und Altem Stadthaus soll ein hybrides, drei Hauptfunktionen beherbergendes Gebäude entstehen. Seine Basis ist eine Holzbau- und Produktionshalle. In ihr werden die notwendigen Teile für die darüber liegenden Etagen produziert. Diese beherbergen Ausbildungsräumlichkeiten für angehende Holzbauer:innen und im obersten Geschoss Büro- und Diskussionsräume. Nach Fertigstellung werden diese Sitz einer noch zu gründenden Institution sein, die mit der holzbaulichen Entwicklung des gesamten Umfeldes beauftragt ist. Die IBA:37.
Im Geiste der IBA, die 1957 und 1987 bereits zweimal in Berlin stattfand, soll die Holzbauhalle Molkenmarkt das erste Gebäude eines experimentellen Holzquartiers sein. Sie ist der Auftakt zu einer internationalen Bauausstellung, die das Thema Holz in den Mittelpunkt stellt.
Durch die Fokussierung auf ein spezifisches, quartiersgroßes Areal soll eine Vorbildwirkung erzeugt werden, die sich nach Ende der Ausstellung und dem Start der ersten Generation von ausgebildeten und vorbereiteten Holzhandwerkerinnen und Holzhandwerkern in der ganzen Stadt ausbreiten wird. Es wird ein produktiver Ort der Fertigung, des praktischen Lernens, der interdisziplinären Planung und des Austausches entstehen. Berlin würde so zumindest über das notwendige Know-How verfügen, die baulichen Herausforderungen der Zukunft aktiv anzugehen.
Als programmatisches Gebäude, das den Holzbau fördert, lag die Entscheidung für Holz als primäres Baumaterial nahe. Die Raumvorgaben der verschiedenen vorgesehenen Nutzungen erfordern eine robuste Konstruktion, die der Holzskelettbau mit der ihm eigenen Stringenz und den möglichen Achsmaßen bietet. Nach der Errichtung der im Erdgeschoss geplanten Produktionshalle soll sich die Holzbauhalle zunächst mit einem in die Konstruktion integrierten Kran selbst komplettieren. Der hohe Vorfertigungsgrad und die daraus resultierenden kurzen Bauzeiten, die für den Holzbau typisch sind, kommen dem im Entwurf vorgesehenen Zeitplan entgegen. Durch die sukzessive Aufstockung des Gebäudes wird besonderes Augenmerk auf eine dezidierte Ablesbarkeit der einzelnen Funktionsschichten im fertigen Gesamtbauwerk gelegt.
Blickt man in der Geschichte zurück, so markieren zumindest die ersten fünf Internationalen Bauausstellungen Paradigmenwechsel in der Architektur. Aus der Krise der aktuellen Architekturproduktion lässt sich schließen, dass wir erneut an der Schwelle zu einer Neuorientierung stehen. Nicht zuletzt die drängenden Fragen, die der Klimawandel an uns stellt, erfordern schnelles und konsequentes Handeln. Wenn wir die Chance ergreifen wollen, die große Transformation, die vor uns liegt, mitzugestalten, ist es zwingend notwendig, alle uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dafür zu nutzen. Auf dem Papier hat der Holzbau als CO2-Binder bereits dieses Potenzial. Die Holzbauhalle Molkenmarkt soll mit ihrer kompetenzfördernden Funktion, dem stahlkräftigen Standort und ihrer Präsenz als Katalysator für den urbanen Holzbau wirken. Ziel sollte es sein, den Holzbau auch dort zu fördern und zu verbreiten, wo er trotz regionaler Verfügbarkeit des Rohstoffs, noch nicht für entsprechende Bauaufgaben in der Stadt eingesetzt wird.