Der Neubau Museums-Pavillon des GRW-Projekts “Pavillon und Wissenspfade” auf dem Campus der TU Berlin ist auch Reallabor für das Planen und Bauen in den planetaren Grenzen und formuliert ein kreislaufgerechtes Gebäudekonzept, das Materialkreisläufe schließt und (Bau-)Abfall fast gänzlich vermeidet.
Es ist ein zukunftsweisendes Pilotprojekt für eine nachhaltige und klimagerechte Planungs- und Baupraxis und etabliert baulich, konstruktiv und prozessual neue Standards. Die Vorplanung und Konzeption wurde in einem partizipativen und transdisziplinären Prozess aus der Universität heraus von Studierenden der TU Berlin entwickelt.
Seit 2022 führt das Planungsbüro ZRS Architekten die Gebäudeplanung weiter und setzt die experimentellen Lösungen um. Dafür kooperiert das Realisierungsvorhaben mit Forschungsprojekten verschiedener Fachgebiete der TU Berlin, um die innovativen Ansätze aus der Lehre und Forschung möglichst direkt in der Planung umzusetzen.
Einen Einblick in die Entwicklung des Gebäudekonzepts durch das studentische Projektbüro, die wissenschaftlichen Ansätze und Reallabor-Konzept des Vorhabens sind im folgenden dargestellt.
Interviews von Sina Jansen, Natural Building Lab
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Für die notwendige Transformation des Bausektors braucht es auch eine neue Planungskultur. Das Bauvorhaben wurde von der Initiierung, über die Konzeption, Planung und Umsetzung in einem partizipativen, transdizsziplinären Prozess aus der Universität heraus entwickelt. Das Projekt öffnet Schnittstellen zwischen Lehre, Forschung und Praxis.
Reallabor für das Planen und Bauen in planetaren Grenzen
Der Pavillon ist Leuchtturmprojekt für das Bauen in Kreisläufen und wird vollständig aus wiederverwendeten Bauteilen und nachwachsenden Rohstoffen als ressourcen-positives Gebäude realisiert. Anspruch der Planung ist die Entwicklung und Umsetzung innovativer, konstruktiver Lösungen für das Bauen mit wiederverwendeten und verwerteten Baustoffen. Ein reversibles und stahlarmes, additives Tragsystem mit optimierten Querschnitten, basiert auf dem Einsatz von Altholz, die weitspannenden Gitterträger werden gleichzeitig zum gestalterischen Element. In Kooperation mit dem Bezirk wird eine exemplarische Wertschöpfungskette Altholz skizziert und anfallende lokale Abfallstoffe zu Baustoffen im Bauvorhaben. Mit der fliegenden Gründung wird eine neuartige Beton- und Stahlarme Gründungsform aus Recycling-Materialien geplant und realisiert.
Das Museum wird als LowTech Gebäude konzipiert und ein adaptives Betriebssystem entwickelt. Ein angemessener Glasanteil und Textilfassade vermitteln ganzjährig im Spannungsfeld zwischen optimalem Wärmeschutz im Winter, unerwünschten Gewinnen im Sommer, Tages- und Kunstlicht. Klimasteuernde Materialien wie Lehm, Naturfaserdämmung und Holz ermöglichen die Reduzierung des Lüftungs- und Klimatisierungsbedarfes auf ein Minimum – auf diese Weise werden aktuell etablierte, technikzentrierte Standards im Bauwesen hinterfragt und auf Lüftungs- und Klimatechnik verzichtet.
Das Reallabor kooperiert mit verschiedenen Forschungsvorhaben.
Das DBU-Forschungsprojekt “Neubau Museums-Pavillon – Konzeption kreislaufgerechter Tragkonstruktionen aus wiederverwendeten Materialien” erörtern die Umsetzung der Gitterträger und Punktfundamente aus wiederverwendeten Materialien.
In dem EU-Forschungsvorhaben “GreeNest” werden aktivierte Deckensysteme aus Gebrauchtholz und Lehn entwickelt. Ziel ist die Entwicklung und Umsetzung von Brettstapeldecken aus wiederverwendeten Balken.
Das Reallabor B(e) Ware erforscht und entwickelt die notwendigen Wertschöpfungsketten zur praktischen Umsetzung der Forschungsergebnisse in der Praxis. Die theoretischen Grundlagen konnten in den kooperierenden Forschungsvorhaben entwickelt werden – was fehlt, sind Infrastrukturen und angepasste Prozesse um in gängigen Bauvorhaben und Genehmigungsprozessen die Wiederverwendung von Material vereinfacht zu ermöglichen.
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Das Gebäude wird fast vollständig aus wiederverwendeten Abfallstoffen, Rezyklaten, konzipiert und errichtet. Es öffnet Wertschöpfungsketten und schließt Stoffkreisläufe im Bezirk Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf. Leitthema der Planung ist die Verwendung von Altholz in Tragwerk und Ausbau. Ein anspruchsvolles, reversibles, weitspannendes Tragwerk mit Gitterträgern ermöglicht den Einsatz und vollständige Umsetzung aus Altholz.
Durch das Konzet der “Fliegenden Gründung” können erdberührender Bauteile auf ein Minimum reduziert, auf Versieglung durch eine Bodenplatte aus Beton verzichtet und Stahlbeton-Bauteile wiederverwendet werden.
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In Kooperation mit dem Bezirk Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf und Forschungsvorhaben an der TU Berlin skizziert das Projekt eine Wertschöpfungskette zur vereinfachten Wiederverwendung von Recycling-Materilien in öffentlichen Bauprojekten.
Reallabor – Methodenentwicklung für den Bausektor
Für die KreislaufBAUWirtschaft und massive Reduktion der Inanspruchnahme stofflicher Ressourcenbenötigt es neben technischer Innovation auch auf prozessualer Ebene Anpassungen: Aktuell brauchen Neuerungen von der Grundlagenforschung bis zur Marktreife viele Jahre. Zur Erreichung der Klimaziele im Bauwesen bis 2050 bedarf es dringend methodischer Ansätze um Innovationsschübe in allen Bereichen – von der Material- und Konstruktionsentwicklung bis zur kreislaufgerechten Konzeption und Anpassungsfähigkeit von ganzen Gebäuden – zu ermöglichen.
Das Projekt als Reallabor leistet hier notwendige Grundlagenarbeit und eröffnet Handlungsoptionen für eine angewandte, beschleunigte Forschung und Entwicklung, Umsetzung und Bewertung experimenteller Ansätze im Bausektor. Die Legitimation der Planung durch Forschung definiert Experimentierräume, die die Anwendung innovativer Lösungen im stark regulierten Bausektor ermöglichen. Das Vorhaben wird in dem gesamten Planungs- und Bauprozess wissenschaftlich begleitet, dokumentiert und evaluiert. So soll das Projekt als Blaupause für vereinfachte Initiierung, Entwicklung und Durchführung transformativer Ansätze fungieren.
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©Projektbüro, Natural Building Lab (links), ZRS Architekten (rechts)
Projektgenese – Wie plant mensch ein Haus mit einer ganzen Universität?
Die Vorplanung des Bauvorhaben von Hochbau und Landschaft wurde von Studierenden der TU Berlin in verschiedenen aufeinander folgenden Lehrveranstaltungen entwickelt. Seit 2019 fanden am Natural Building Lab des Instituts für Architektur in Kooperation mit den Fachgebieten Landschafts- und Objektbau (Prof. Stefan Reimann und Prof. Cordula Loidl-Reisch), dem Fachgebiet Entwerfen und Konstruktion – Verbundstrukturen (Prof. Volker Schmid), dem Fachgebiet Habitat Unit (Prof. Philipp Misselwitz) und dem Fachgebiet DE/CO (Prof. Jan Kampshoff), Lehrveranstaltungen mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten statt. Diese flossen alle in die Vorplanung ein, die abschließend von dem interdisziplinären und studentischen Projektbüro erarbeitet und im April 2022 an die beauftragten Planer:innen übergeben wurden.
WiSe 2019/20: “Citizen’s University”
MA Studio, Kooperation mit Fachgebiet Entwerfen und Konstruktion – Verbundstrukturen, Prof. Volker Schmid. Weiterführende Informationen gibt es hier.
SoSe 2021: “Science Gallery”
MA Studio, Kooperation mit Landschafts- und Objektbau, Prof. Stefan Reimann. Weiterführende Informationen gibt es hier.
WiSe 2021/22: “Projektbüro”
MA Seminar, Kooperation mit Landschafts- und Objektbau, Prof. Stefan Reimann und FG TEK, Prof. Wolff. Weiterführende Informationen gibt es hier.
An der universitären Vorplanung waren folgende Studierende des Natural Building Lab beteiligt:
Aaron Johannes Geier, Alejandro Palacio Siebe, Amina Ghisu, Anna Lawicka, Anna Sujkowska, Christoph Psykalla, Christoph Wittor, Clara Rummer, Clara Wunderlich, Daniel Geistlinger, David Lau, Dora Joppien, Elena Valter, Friederike Rau, Gabor Kirsch, Gian-Luca Berk, Hannah Steinborn, Hendrik Steuernagel, Jacob Steinberg, Johann Wilms, Jule Jünger, Julian Olbrisch, Jurek Widowski, Justine Rognon,Ladina Bürgisser, Laura Kosse, Leonie Rüschoff, Lisa Kolkowski, Lucas Jähnig, Luke Monty Kuhl, Magdalena Stepien, Mahsa Fallah, Mailes Stichling, Mairi Zountsa, Marie-Luise Schlesinger, Maxim von Helden, Melanie Schwiewagner, Moritz Henes, Moritz Rücker, Mytro Klimi, Neele Sofie Thrän, Nere Guarrotxena, Nikolas Schleeh, Noemie Tschabold, Ruth Mönkemöller, Ruth Walter, Simon Sinopoli, Sophie Blochwitz, Søren Peters, Theresa Jung, Therese Rackwitz, Toja Prigge, Benedikt Kurz, Betina de Biazzi, Camilla Preuß, Claire McQuillan, Clémence Lecanuet, Daniel Geistlinger, Daniel Krause, Hae Zin Nam, Helen Neuenkirchen, Helia Mofrad, Jessica Voth, Johanna Köck, Johannes-Andreas Rau, Julius Hempen, Katharina Lind, Lucie Houdouin, Micha Kretschmann, Nikolas Schleeh, Pénélope Croset, Samad Fathi, Samuel Hilari, Zoe Schloen.
Teilnehmende des studentischen Projektbüros waren: Arabella Knegendorf, Christoph Deus, Christoph Gudewer, Clara Wunderlich, Elena Valter, Ewa Heider, Friederike Rau, Hannah Steinborn, Helen Neuenkirchen, Julian Olbrisch, Julius Hempen, Katharina Lind, Nikolas Schleeh, Sophie Blochwitz, Theresa Jung, Therese Rackwitz.
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Weiterführende Projektinformationen und Links
Das Projekt “Pavillon und Wissenspfade” ist ein Projekt der Stabstelle Science and Society unter der Leitung von Dr. Audrey Podann. Hier geht es zur offiziellen Projekt-Website der TU Berlin: https://www.tu.berlin/science-and-society/projekte-und-forschung/pavillon-wissenspfade
Hier sind aktuelle Informationen zum Vorhaben, der inhaltlichen Konzeption & geplanten Ausstellungsnutzung, dem Uni_versum, sowie allen bisherigen Lehrveranstaltungen aus den Bereichen Architektur, Landschaftsarchitektur, Bauingenieurwesen, Bühnenbild & Szenischer Raum uvm. zu finden.
Bauwelt Artikel von Tillmann Detering, Dresden: Pavillon und Wissenspfade in Berlin-Charlottenburg. Das Projekt „Pavillon und Wissenspfade” der TU Berlin und des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf verfolgt das Ziel, den Campus stärker für den umliegenden Stadtraum zu öffnen. Den ganzen Artikel gibt es hier: https://www.bauwelt.de/rubriken/bauten/Pavillon-und-Wissenspfade-Berlin-Charlottenburg-4154884.html
Reallabor Museums-Pavillon in der DBZ Ausgabe zum Thema “Experimentelles Bauen”: https://www.dbz.de/ausgaben/2024-11-4169291.html
Projektkoordination
Das Reallabor BAU und die Schnittstellen in Lehre und Forschung werden durch das Natural Building Lab der TU Berlin koordiniert.
Ansprechpartnerin: Sina Jansen
s.jansen@tu-berlin.de