Sechs Hütten ist ein Wanderweg von Berlin nach Gorzow in Polen. Das Projekt möchte den Stadt–Land–Diskurs als einen Verlauf aufzeigen — ein Schnitt durch die Landschaft über 177 Kilometer.
Bilder und Grafiken
Jonathan Peters, Leon Klaßen
Die Typologie der Berghütte aus den Alpen ermöglicht das Übernachten in den Zwischenräumen — zwischen zwei Gipfeln, zwischen zwei Tälern, im autarken Gelände. Das Mittel der Mehrtagestour erst erlaubt es, zwischen Kulturregionen nicht zu springen, sondern die Linie zu erfahren. Und das nicht nur in den Alpen, sondern auch im dicht besiedelten Flachland. Bis zu 25 Personen der globalisierten Welt können in einer Woche beziehungsweise sieben Tagesetappen diesen Weg wandern, das Landschaftskontinuum erfahren und zu einer Gemeinschaft zusammenwachsen.
Auf der 177 Kilometer langen Strecke zwischen Berlin und Gorzów existieren aus einer kulturellen Funktion heraus verschiedene Anlaufpunkte, welche einen entscheidenden Einfluss auf ihre direkte Umgebung haben und diese so als eine Kulturregion definieren. Die Strecke wird aber nicht als Kontinuum betrachtet, sondern nur punktuell wahrgenommen. Die Zwischenräume werden übersprungen.
Genau in diese Zwischenräume wird jeweils eine der Sechs Hütten installiert. In Tagesetappen von etwa 25 Kilometern wird der Sprung zwischen Regionen zu einer erfahrungsdichten, kontinuierlichen Linie. Bestehende Verbindungen in Form von Rad- und Wanderwegen und soziale Relationen innerhalb der Regionen werden aufgegriffen und durch einen neuen Übergang angeschlossen. Durch die Langsamkeit des Wanderns kann jeder zurückgelegte Meter ein Anknüpfungspunkt dieser Linie werden. Die Qualität liegt nicht nur in der Aktivierung der Zwischenräume durch den verbindenden Wegabschnitt und die Hütte, sondern auch in der Stärkung der Struktur innerhalb bestehender Kulturregionen und der gesamten Linie.
Während sich der Weg auf die Regionen bezieht, beziehen sich die Hütten in ihrem Standort auf die direkt umliegende Landschaft. Jede Hütte verstärkt den landschaftlichen Eindruck — im Wald, am Hang, auf dem See — und konzentriert diese in eine funktionale und zurückgenommene Architektur.
Die Basiselemente jeder Hütte sind das individuelle Bett und damit verbundene individuelle Lagermöglichkeiten des Gepäcks, dem gemeinschaftlich genutzten Bad, dem gemeinschaftlichen Kochen und Essen und dem mit der umliegenden Landschaft kommunizierenden Außenraum. Die Hütte ist nicht bewirtet und erfordert eine Selbstversorgung. Eine Übernachtungsgebühr sichert den laufenden Betrieb. Die Hütte liegt in öffentlicher Hand, den Unterhalt sowie einen ersten kulturellen Anknüpfungspunkt kann eine Institution vor Ort übernehmen. Davon profitieren beide Seiten — die Hütte beziehungsweise der Weg und die lokale Institution.
Mit einer hohen Platzeffizienz, geringem Abdruck in der Landschaft und der Option auf Rückbaubarkeit ist ein sensibler Umgang mit der Landschaft angestrebt. Die Holzkonstruktion und technische Detaillösungen in der Hütte gehen nachhaltig mit limitierten Ressourcen um. Das Fenster auf Kopfkissenhöhe transportiert die landschaftliche Umgebung direkt bis ins Bett. Die Matratze ist die sichere Koje. Die Ablage für den Rucksack am Fußende des Bettes bildet die Grenze zum gemeinschaftlichen Raum. Das Bad trennt als Barriere die Funktionen schlafen und essen. Der gemeinschaftliche Raum fördert den Austausch und das Zusammenwachsen der Wandergruppe. Alle Funktionen des Raumes sind speziell auf die Situation der Übernachtung einer Mehrtages-Wandertour angepasst.
Sechs Hütten möchte die wandernde Person für die Landschaft, Region und zugrunde liegende Details sensibilisieren und durch möglichst viele Anknüpfungspunkte einen emotionalen Bezug ermöglichen. Auf der gesellschaftlichen Ebene ist das Ziel, einzelne Punkte des Interesses zu verdichten, zu vernetzen, Landschaften im Kontinuum wahrzunehmen und den differenzierten Landschaftsumgang abseits der bekannten touristischen Regionen und Routen global zu fördern.