Master Entwurf
Lehrforschungsprojekt mit wissenschaftlicher Vertiefung

in Kooperation mit dem Rekult Forschungsteam

mit Unterstützung von Tim Harland, Myriam Didjurgeit, Robert Freudenberg, Thomas Bernatzky (alle Hoskins architects), Katharina Lux (Baunetz Campus) und zahlreichen Kooperationspartner:innen der untersuchten Memory Institutions

Fotos: © Natural Building Lab

BaunetzCampus Artikel: MUSE/UM/BAUEN: Lehrforschung zu Low-Tech im Kulturerbe-Bau

Häufigere Extremwetterlagen, strenge konservatorische Anforderungen an das Raumklima und rückwärtsgewandtes Design führen zu immer höherem Energie-, Ressourcen- und Flächenverbrauch durch Museen, Bibliotheken und Archiven. Durch die maximierte technische Ausstattung von Kulturerbebauten zur Regulierung des Raumklimas hinsichtlich Belüftung, Temperatur und Feuchtigkeit werden hohe CO2 -Emissionen über den gesamten Lebenszyklus der technischen Anlagen und des Gebäudes freigesetzt. Dieser technische Maximaleinsatz mit seinen negativen Umweltauswirkungen wäre aber gar nicht notwendig und ließe sich durch die Neubewertung von Klimakorridoren, klimaangepasstes Design, den Einsatz von biobasierten Baumaterialien sowie die Reduzierung von Gebäudetechnik verringern.

Wie wenig ist genug? Vor dem Hintergrund der Klimakrise, Energie- und Ressourcenknappheit und damit verbundenen Preissteigerungen stehen die Kulturerbebauten vor der unausweichlichen Herausforderung ihren Gebäudebestand durch passive Maßnahmen zu ertüchtigen und ihren Energie- und Ressourcenverbrauch während des Betriebs durch einen minimalen Einsatz von Gebäudetechniksystemen herunterzudrosseln. Hierbei müssen der Erhalt von Gebäuden, räumliche Umbaumaßnahmen und Reorganisation von Nutzungen im Vordergrund stehen und Neubauvorhaben strengen ökologischen Kriterien unterliegen. Was sind hierbei geeignete Strategien und Herangehensweisen? Im Rahmen des Lehrforschungsprojektes haben die Studierenden Potenzialanalysen und Low Tech Strategien anhand von konkreten Fallbeispielen erarbeitet. Ihre Ergebnisse haben sie zum Abschluss des Semesters im Aedes öffentlich ausgestellt und diskutiert sowie eine gemeinsame Abschlussdokumentation erstellt.

KUNSTGEWERBEMUSEUM
Che Xiao, Paul Ruhnau, Julian Schmid

“Was passiert, wenn Menschen Sensorik und Maschinen ersetzen, die uns vermeintlich den Alltag erleichtern sollen, aber für mehr Probleme sorgen als sie uns abnehmen. Wenn alle Menschen, die eine Beziehung mit dem Kunstgewerbemuseum eingehen, ein physikalisches Grundverständnis erlagen und dem Gebäude helfen besser zu funktionieren, ein Stück Teilhabe in der Interaktion zu finden. Zu helfen kulturelles Erbe zu in der Interaktion des Besuchs zu erhalten und umso mehr wertzuschätzen?
Gerade Museen könnten sich zusätzlich neben ihrem musealen Gebiet als Bildungsstätte von architektonischem Verständnis der Interaktion etablieren. Seit langem positionieren sich Museen als monumentale Prestigebauten, die beindruckend in die Innenstädte ‚gepflanzt‘ werden. Als symbolhafte Stätten des Verständnisses und Erkenntnisse unserer Welt könnten gerade diese Gebäude versuchen, ihre Besucher*innen drauf aufmerksam machen, was das Wesen ihrer Architektur ist.”
“Mit der Konfrontation mit endlichen Ressourcen, Energieknappheit und einem verändernden globalem Klimasystem wird es Zeit wieder an dieStelle in der Baugeschichte zurückzugehen, als mit wenig Einsatz viel ‚Outcome‘ erzeugt werden konnte. Die architektonische Profession sollte sich darin versuchen Gebäude als interaktive Gegenstände zu sehen, die wie ein Fahrrad oder die Kupplung, von ihren Nutzer*innen durch bauphysikalische Bildung und interaktive Gebäudeteile, wie z.B. temporäre Verschattung oder die Möglichkeit zum Querlüften zu geben.
Museen könnten genau als die symbolhaften Gebäude – die sie bereits sind – für architektonisch interaktive Bildung sorgen um als Startpunkt für eine breitgesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem uns umgebenen architektonischen Raum zu stehen.
Vielleicht ist das Kunstgewerbemuseum 2045 nicht nur ein Museum für Kunstgewerbe, sondern ein interaktives Werkzeug mit dem Besucherinnen umgehen können, in dem sie Vorhänge zuziehen, wenn es zu warm ist, oder aufmachen, wenn es zu kalt ist.”
GEHEIMES STAATSARCHIV
Carolin Behre, Emely Grüter, Pauline Tolkmitt

“Archive beinhalten einmaliges und einzigartiges Material, welches als unikales Archivgut betrachtet wird. Im Vergleich zu Bibliotheken sind Archive heterogener angelegt. Bibliotheken beinhalten demnach vervielfältigtes, marktförmig gehandeltes Material, während Archive mit schwer übertragbaren Systematiken arbeiten, die aus ihrer Genese, Materialstruktur, Politik und Kontingenz hervorgehen. Formale Regeln sorgen für Mindeststandards, jedoch ist die Übertragbarkeit dieser geringer als bei Bibliotheken. Die Zentralisierung oder Universalisierung von Archiven gestaltet sich im Vergleich zu Bibliotheken schwieriger. Archive sind häufig an spezifische Orte, Territorien sowie Entstehungsbedingungen und -absichten gebunden, was ebenfalls auf Museen zutrifft. In Archiven findet sich allerdings vorwiegend nicht prominentes kanonisches Material, während Bibliotheken und Museen oft bekanntere Werke präsentieren. Darüber hinaus bewahren Archive Akten auf, die eine wichtige Rolle in der Erhaltung der kulturellen Vielfalt und Geschichte spielen.”
“Die Chance, durch Interventionen wie die vorgestellten Leitlinien eine effektive und zielgerichtete Sanierung einzuleiten, besteht nicht nur beim Geheimen Staatsarchiv (GStA), sondern auch bei zahlreichen anderen Archiven. Angesichts des Klimawandels und steigender Energiepreise ist eine Veränderung der Arbeitsweise essenziell. Andernfalls könnten wichtige Kulturinstitutionen in Zukunft gefährdet sein, und große Teile der Geschichte könnten unzugänglich werden. Daher ist es von höchster Wichtigkeit, die vorgeschlagenen Maßnahmen zu implementieren, um die langfristige Zugänglichkeit und Sicherung der archivierten Informationen zu gewährleisten.”
BAUHAUS MUSEUM WEIMAR
Benedikt Jährling, Clara Harbecke, Lisa Vescovi

“Die von uns untersuchten Museen weisen gegensätzliche Eigenschaften auf. Auf der einen Seite präsentiert sich das 2019 fertiggestellte „Bauhaus Museum“ mit einer hochmodernen und Komplexen Haustechnik, auf der anderen Seite befindet sich in unmittelbarer Nähe das „Museum Neues Weimar“, ein historischer Bestandsbau aus dem Jahre 1869. Hierbei wurden in den vergangenen Jahren dezentrale technische Lösungen eingearbeitet, welche einen relativ überschaubaren Einsatz von Technik im Gebäudekomplex ergeben. Während das Bauhaus Museum seit seiner Konzeption nicht ohne Technik auskommt, wurde das Historische Gebäude des „Museum Neues Weimar“ die meiste Zeit ohne Technik betrieben. In beiden Museen gibt es klimatische Anforderungen, die sowohl menschlich als auch durch die Exponate bedingt sind.”
“Die Analyse der zwei Museen lässt uns schlussfolgern, dass allgemeine nachhaltige Lösungsansätze formuliert werden müssen, um einen Standard für nachhaltige Museumsgebäude zu erreichen. Ebenso bedarf es individueller Untersuchungen der Bestandsgebäude. Denn Museen sind so unterschiedlich, wie deren Exponate. Hierbei sollten die Lebenszyklen der Bauteile und der technischen Anlagen berücksichtigt werden. Voraussichtlich ist im Einzelnen abzuwägen, ob der gesellschaftliche Wert den hohen Aufwand von Ressourcen rechtfertigt. Oder um es noch radikaler zu formulieren: Ist es nicht an der Zeit, dass wir uns als Gesellschaft darüber nachdenken, ob Museen in Zukunft überhaupt noch eine Daseinsberechtigung haben und wenn ja, in welcher Form? Statt ein nagelneues Museums zu entwerfen ist es an der Zeit, bewusst Keines zu bauen. Sicherlich ist der Erhalt von Kulturorten unabdingbar, jedoch ist die soziale Frage auch nicht durch den massiven Einsatz von Ressourcen gelöst. Denn langfristig gesehen bedroht dies nicht zuletzt auch die Existenz des Museums selbst. Als öffentliche Institution der Wissensvermittlung kann es essenziell dazu beitragen, weitere Schritte in Richtung Klimaneutralität zu gehen.”
GROPIUS BAU
Hendrik Koch, Johannes Karger, Ruth Mönkemöller, Théo Tachker, Tillmann Tschiesche

“Die Kernaufgabe eines Museums, Bewahren und Ausstellen, benötigt konservatorisch sinnhaltige und zukunftsfähige Konzepte. Hier ergibt sich ein möglicher Superlativ für das nachhaltige Museum: die Symbiose kuratorischer Freiheit und Einhaltung der planetaren Grenzen. Ein Museum, dem die Nachhaltigkeitstransformation in einer Art gelungen sein wird, dass die programmatische und kuratorische Arbeit möglichst keine Einschnitte machen muss und dabei nur jene Ressourcen verbraucht, die natürlich oder in der Kreislaufwirtschaft zur Verfügung stehen.”


“Ein Gebäude, das so lange durch Maschinen beatmet wurde, ist unvorhersehbar. Zwingt man einen Mensch Jahrzehnte lang, sich ausschließlich mit Elektro-Roller zu bewegen, kann man nicht vorhersehen, ob er Gehen verlernt hat. Anatomische Spuren würde es jedenfalls hinterlassen. Hier besteht unser Problem darin, zu verstehen, wie das Gebäude auf das Abschalten der Maschinen reagiert und welche Pathologien daraus entstehen können.1 Natürlich können theoretische und simulierte Modelle eine schlüssige Annäherung bieten, wie ein Museum ohne die Hilfe von Maschinen funktionieren würde. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir nur im Real-Labor, im Gebäude selbst, wirklich sicher sein können. Ein historisches Gebäude mit seinen Rissen, greisen Mauern und seiner Geschichte ist schlichtweg nicht in einem Modell erfassbar.”

Lehrforschungsprojekt FAQs

Was ist ein Lehrforschungsprojekt?
In der Regel werden Lehrforschungsprojekte von den Fachgebiete angeboten, die nicht zwingend Entwurfsprojekten in ihre Lehre anbieten müssen. Ein LFP umfassen insgesamt 24LP und das ganze Modul wird mit einer 9LP Vertiefung abgelegt. Es ist somit äquivalent mit einem Hochbau II oder Städtebau II Entwurfsprojekt.

Warum bietet ihr kein Hochbau Entwurf an?
Wir finden es wichtig, dass unsere Projekte in einem realen Kontext stattfinden. Wir haben uns in den letzen Jahren stark Richtung Foschung entwickelt und wollen dieses Semester unseren Entwurf mit einem laufenden Forschungsprojekt koppeln. Somit habt ihr die Möglichkeit in eurem Projekt mit unseren Foschungspartnern auf Augenhöhe zu kooperieren und Ergebnisse zu produzieren, die Impulse für das Konsortium liefern können.

Werden wir etwas entwerfen?
Wir haben seit einigen Jahren nur (Um)Bau Entwurfsprojekten angeboten. Wer auf der grünen Wiese einen Neubau entwerfen möchte, ist bei uns an der falschen Adresse. Ausgehend vom Klimanotstand und Ressourcenknappheit können wir eigentlich schon heute keine Neubauten mehr verantworten. Wir werden in dem Projekt architektonische Methoden benutzen, um Bestandsgebäuden besser zu verstehen. Wir werden aus dieser Analyse für Teilbereiche neue Nutzungskonzepte, Zonierungen und vielleicht sogar Umbaumaßnahmen ableiten. Wie umfangreich diese Konzepte sein werden, wird sich im Prozess und anhand von den unterschiedlichen Bestandsgebäuden erst zeigen.

Muss ich wissenschaftlich arbeiten können?
Das Thema wissenschaftliches Arbeiten im Architekturstudium ist vor allem mit Fächern wie Geschichte and Theorie geprägt, spielt aber in anderen Themenfeldern der Forschung eine genauso wichtige Rolle. An das wissenschaftliche Arbeiten heranführen und bei der Redaktion eines wissenschaftlichen Berichts betreuen werden wir in Kooperation von anderen Fachgebieten am IfA.

With: Benedikt Jährling, Carolin Behre, Che Xiao, Clara Harbecke, Emely Grüter, Eve Gericke, Hendrik Koch, Johannes Karger, Julian Schmid, Lisa Vescovi, Matthew Crabbe, Paul Ruhnau, Pauline Tolkmitt, Eike Roswag-Klinge, Ruth Mönkemöller, Selina Schlez, Theo Tachker, Tillmann Tschiesche